Vor 75 Jahren, 1942, nahmen sich Stefan Zweig und seine zweite Frau Lotte in Brasilien das Leben. Der Autor mit familiären Wurzeln in Hohenems hatte das ihm auferlegte Exil und die Entwurzelung nicht weiter ertragen wollen. Sein Schicksal der erzwungenen Heimatlosigkeit hatte er mit vielen anderen jüdischen oder aus anderen Gründen verfolgten Künstlern geteilt. Exil und Entwurzelung prägten Stefan Zweigs Leben. Sie stehen denn auch im Brennpunkt der diesjährigen Literaturtage.
Der weltberühmteste deutsche Schriftsteller der jüngst vergangenen Zeit", so Thomas Mann 1954 in einem Brief, war durch den ersten Weltkrieg zum Pazifisten und zum Verfechter eines europäischen Gemeinschaftsgedankens geworden. Zudem war er erklärter Gegner eines jüdischen Nationalstaates. Seine dezidiert unpolitische Haltung und zögerliche Positionierung gegenüber dem Nationalsozialismus rücken den Autor bis heute in ein zwiespältiges Licht. Die Literaturtage möchten auch diesen Zwiespalt beleuchten.
PROGRAMM
Do. 18. Mai 2017, 20.15 Uhr
Theater am Saumarkt
Intro: Alexandr Karakhanyan spielt den 1. Satz aus Paul Hindemith, Cello Sonata Op. 25, No. 3
Oliver Matuschek: Stefan Zweig.
Drei Leben - Eine Biographie
„Meine drei Leben“, so lautete Stefan Zweigs Arbeitstitel für sein großes Buch „Die Welt von Gestern“. Die Lehr- und Wanderjahre bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, die Erfolgsjahre des „Schriftstellerbetriebes“ Stefan Zweig in Salzburg, schließlich die Exiljahre in Großbritannien, den USA und Brasilien – sie bilden die drei großen Blöcke in Stefan Zweigs Biographie.
Oliver Matuschek kann sich für seine Lebensbeschreibung auf eine Fülle neu zugänglicher Quellen, Forschungsergebnisse und bisher unbekannten Materials stützen. Er erzählt fesselnd das ausgefüllte Leben eines vom Erfolg verwöhnten Schriftstellers, das durch die Zeitläufe bedingt eine Wendung nimmt und tragisch endet. Überdies widmet sich Matuschek allgemeinen Fragen wie Stefan Zweigs Reisen, der Herangehensweise an die Stoffe seines Werks und dem Verhältnis Zweigs zu seinen Kollegen und Verlegern.
Daniela Strigl: Zweig und das Odol-Prinzip.
Vom Erfinden einer Marke.
In den zwanziger Jahren war Stefan Zweig als Bestsellerautor eine Art literarischer Großbetrieb, eine Marke. Wie ist ihm das geglückt? Wie vollzog sich das „Branding“? Bereits 1912 hatte Zweig den satirischen Aufsatz „Zehn Wege zum deutschen Ruhm. Eine Rechenaufgabe für junge Schriftsteller“ publiziert: Er war sich der Mechanismen des Literaturgeschäfts bewusst, hat sie weidlich genützt – und zuletzt unter der Bürde des Erfolgs gelitten.
Anschließend moderiertes Gespräch mit den beiden Vortragenden.
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Fr. 19. Mai 2017, 20.15 Uhr
Theater am Saumarkt
Intro: Alexandr Karakhanyan spielt den 2. Satz aus Paul Hindemith, Cello Sonata Op. 25, No. 3
Eveline Hasler: Mit dem letzten Schiff.
Der gefährliche Auftrag von Varian Fry
Eveline Hasler thematisiert mit ihrem auf Tatsachen beruhenden Roman „Mit dem letzten Schiff“ die Flucht von Künstlern vor den Nazis aus Europa (Entwurzelung & Leben im Exil).
Frankreich, August 1940: Der junge amerikanische Journalist Varian Fry erhält vom Emergency Rescue Committee in Marseille den Auftrag, 200 verfolgten Künstlern die Ausreise in die USA zu ermöglichen. Die Arbeit Frys ist illegal und brandgefährlich, denn das Vichy-Regime hat sich verpflichtet, Gegner des Nationalsozialismus an die deutsche Regierung auszuliefern. Unter Einsatz seines Lebens verhilft er im Verlauf eines Jahres fast 2000 Menschen, vor allem Künstlern und Intellektuellen aber auch vielen Unbekannten, zur Flucht vor den Nazis. Eveline Hasler erzählt die Geschichte dieses „amerikanischen Schindlers“ und seiner Helfer mit großer Eindringlichkeit – ein mitreißendes Geschichtsdrama.
Anschließend Gespräch mit Daniela Strigl.
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Sa. 20. Mai 2017, 17.00 Uhr
Theater am Saumarkt
Vor der Morgenröte
Stefan Zweig in Amerika
Ein Film von Maria Schrader (2016, 100 min).
Mit Josef Hader, Barbara Sukowa u.a.
Vor der Morgenröte erzählt episodisch aus dem Leben des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig im Exil. Auf dem Höhepunkt seines weltweiten Ruhms wird er in die Emigration getrieben und verzweifelt angesichts des Wissens um den Untergang Europas, den er schon früh voraussieht. Die Geschichte eines Flüchtlings, die Geschichte vom Verlieren der alten und dem Suchen nach einer neuen Heimat.
Kurzeinführung durch Klemens Renoldner.
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Sa. 20. Mai 2017, 19.30 Uhr
Theater am Saumarkt
Intro: Alexandr Karakhanyan spielt den 3. Satz aus Paul Hindemith, Cello Sonata Op. 25, No. 3
Klemens Renoldner: Vor der Morgenröte
Making-Of
Über das Entstehen und die Hintergründe des Films über Stefan Zweig.
Zweigs Utopien
Seine Ideen über die geistige Einheit der Welt und sein Traum von einem Vereinigten Europa
Podiumsdiskussion mit Oliver Matuschek, Eveline Hasler und Klemens Renoldner.
Moderation: Daniela Strigl.
Anschließend: Kulinarischer Ausklang.
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Biographisches:
Oliver Matuschek, geboren 1971, studierte Politologie und Neuere Geschichte. Im Jahr 2008 war er Kurator der Ausstellung „Die drei Leben des Stefan Zweig“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Stefan Zweig, darunter: „Ich kenne den Zauber der Schrift. Katalog und Geschichte der Autographensammlung Stefan Zweig“ (2005) und „Stefan Zweig. Drei Leben – Eine Biographie“ (2006).
Daniela Strigl, geboren 1964 in Wien, Studium der Deutschen Philologie, Geschichte, Philosophie und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Essayistin, Literatur- und Theaterkritikerin ("Der Standard", "F.A.Z.", "Die Furche", "Die Presse", ORF-Hörfunk u.a.). 1995-1998 Chefredakteurin der steirischen Kulturzeitschrift was. 2003-2014 Mitglied der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Seit November 2007 Lehrtätigkeit am Institut für Germanistik der Universität Wien.
Nebst zahlreichen Herausgeberschaften u.a. „Marlen Haushofer. Die Biographie“, 2000; „Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach: eine Biographie“, 2016.
Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik 2001, Max Kade Preis 2007, Alfred-Kerr-Preis 2013, Berliner Preis für Literaturkritik 2015.
Eveline Hasler, geboren in Glarus, studierte Psychologie und Geschichte in Fribourg und Paris und war einige Zeit als Lehrerin tätig. Heute lebt sie im Tessin. Sie schreibt vor allem historische Romane, aber auch Lyrik, Kinderbücher, Kolumnen, Reportagen sowie Radio- und Zeitschriftenbeiträge.
Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Schubart-Literaturpreis, dem Meersburger Droste-Preis für Dichterinnen und dem Justinus-Kerner-Preis. 1990/91 war sie Guest Lecturer am German Department der City University in New York.
Klemens Renoldner, geboren 1953 in Schärding am Inn. Studium Literatur und Musik in Salzburg und Wien. Engagements als Dramaturg an Theatern in Österreich, Deutschland und der Schweiz, von 1998 bis 2002 Schauspieldirektor und Regisseur an den Städtischen Bühnen von Freiburg im Breisgau. Von 2002 bis 2008 Kurator für Literatur und Wissenschaft am Österreichischen Kulturforum der Österreichischen Botschaft in Berlin, seit 2008 Direktor des Stefan Zweig Centre an der Universität Salzburg. Zahlreiche wissenschaftliche und literarische Veröffentlichungen; zuletzt erschien der Prosa-Band „Der Weisheit letzter Schuss“ (2016).
Alexandr Karakhanyan, geboren in Eriwan (Armenien), Cellostudium in Moskau und Eriwan mit Auszeichnung abgeschlossen, Preisträger bei vielen namhaften internationalen Wettbewerben, seit 1996 internationaler Solist, 2016 erhielt er für seine Verdienste vom armenischen Staatspräsidenten ein Amati Cello, das er seither bei all seinen Auftritten spielt.
Theater am Saumarkt
Feldkircher Literaturtage
Stefan Zweig
18.-20. Mai 2017
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