- Der Autor Jürgen Thomas Ernst erklärt, was Post-It Zettel mit Textarchitektur zu tun haben
- © Frauke Kühn
Grenzüberschreitende Schul-Kooperation zwischen Friedrichshafen und Vorarlberg beginnt mit Workshop im Bregenzer Theater Kosmos
Papier raschelt, eine Schülerin kratzt sich am Kopf, ein junger Mann nagt am Stift: Schreibübungen am Mittwoch Mittag im Bregenzer Theater Kosmos oben im Probenraum, im Foyer und im Bühnenraum. Hier haben sich je eine Klasse aus dem Bundesgymnasium Bludenz, dem Gymnasium Feldkirch, dem Bundesgymnasium Lustenau und dem Karl-Maybach-Gymnasium Friedrichshafen getroffen – etwa 80 bis 90 Jugendliche zwischen 14 und18 Jahren, begleitet von ihren Deutsch-Lehrern.
Grenzüberschreitend und mit offenem Ausgang
Unter dem Motto „Fortsetzung folgt…“ werden sie in den nächsten Tagen mit einem Schreibprojekt im Rahmen des „Literaturherbstes 2016“ beginnen, während dessen sich die Klassen zwei selbst zu schreibende Geschichten wie einen Staffelstab weitergeben. Am Samstag, 22. Oktober, präsentieren sie ihre beiden Geschichten wieder im Theater Kosmos – ein besonderer Abschluss des Friedrichshafener Literaturherbstes, grenzüberschreitend und heute noch mit offenem Ausgang.
Unterstützt von der Internationalen Bodenseekonferenz und dem Vorarlberger Kulturservice ist diese Idee des gemeinsamen Schreibens in einer Kooperation zwischen der Stadt Friedrichshafen und dem literatur:vorarlberg netzwerk entstanden. Und an diesem Mittwoch nach den Sommerferien bieten vier Vorarlberger Autoren – Andrea Gerster, Daniela Egger, Jürgen Thomas Ernst und Max Lang – Workshops zum literarischen Schreiben an. Die Inhalte: Wie komme ich ins literarische Schreiben? Was macht eine Kurzgeschichte aus? Wie entwickle ich schreibend Figuren? Und schließlich: Wie sieht die Architektur eines Textes aus?
„Ich war erstaunt, wie sich meine Schüler haben gefangen nehmen lassen“, reflektiert Dirk Lehnert, Lehrer am Karl-Maybach-Gymnasium, den Tag. Die Begegnung und Arbeit mit Autoren, die selbst vom literarischen Schreiben leben, so vermute er, fessle die Jugendlichen besonders. Und das scheint so zu sein, denn wenn Jürgen Thomas Ernst einen Schwank, wie er selbst sagt, aus seinem Leben als Autor erzählt, dann macht das mehr deutlich als die schönste Theorie.
Gefühl für das Abseitig-Intressante
Daniela Egger lockt aus den Jugendlichen interessante Figuren und ihre Charakterzüge hervor. Vorgegeben hat sie kaum mehr als die Kindergärtnerin. Und da tun sich dann im Schreiben und im anschließenden Gespräch Abgründe in der Seele dieser Erzieherin auf: die Autorin ist selbst sehr erstaunt über die Reflektiertheit und das Gefühl der Jugendlichen für das Abseitig-Interessante.
„Ich bin regelrecht in Trance geraten, als wir bei Andrea Gerster automatisch schreiben sollten“, berichtet Marco Liedtke aus Friedrichshafen. Die in der Schweiz lebende Autorin hat die Jugendlichen einfach los schreiben lassen, unter Ausschaltung des kritischen Ich. Schreiben, was kommt. Für Marco ungewohnt, erwartet er doch immer die konkrete Aufgabe.
Ein Anfang, ein Schluss - zwei Geschichten
In der Pause dann wählen die Jugendlichen den Anfangs- und Schlusssatz für die beiden entstehenden Geschichten aus. Die vier Autoren haben in den Literaturen der Welt gesucht. Wenn am Tag drauf in Bludenz und in Feldkirch die ersten beiden Klassen zu schreiben beginnen, dann fängt ihr Text an mit dem von Max Lang vorgeschlagenen Satz von Simenon: ‚Drei Minuten vor fünf’ an. Zu dem Schlusssatz ‚Die Vorstellung war entsetzlich’ aus Thomas Bernhard ‚Alte Meister’ müssen dann Mitte Oktober das Karl-Maybach-Gymnasium und die Klasse aus Lustenau finden.
Aufgeschlossene Gespanntheit herrscht bei allen Beteiligten, denn an einem solchen Experiment des gemeinsamen Schreibens über die Grenzen hinweg hat noch niemand von ihnen teilgenommen, die Schüler schon gar nicht, aber auch die Autoren und die Lehrer nicht. „Die Schüler brauchen nur ein paar Impulse und schon legen sie los“, hat Max Lang gemerkt und ist erfreut, welche Qualität die Kurzgeschichten der Schüler in kaum mehr als einer halben, dreiviertel Stunde Schreibens erreichen. Und die Schülerin Veronika Zottel aus Bludenz bestätigt: „Mich hat es erstaunt, dass mir überhaupt etwas zum Schreiben eingefallen ist, so spontan.“
Die Lehrerinnen und Lehrer, Barbara Winkler, Veronika Bohle, Dirk Lehnert und Ursula Karu schauen sich aus der Distanz die Arbeit der Autoren mit ihren Schüler/innen an und wissen: Jetzt sind dann sie dran, die Staffel von den Autor/innen aufzunehmen und mit ihren Schülerinnen und Schülern das Gelernte so umzusetzen, dass dann am 22. Oktober der Applaus den jungen Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus den vier Gymnasien gebührt. „Fortsetzung folgt…“ dann vielleicht 2017.
Jetzt beide Geschichten
online lesen!
Vögel des Hanfes
Organe im Kopf
Bericht zur Lesung
im Theater Kosmos
eine Kooperation von
Literaturherbst Friedrichshafen
und
literatur:vorarlberg netzwerk
'Fortsetzung folgt...'
in Zusammenarbeit mit
Karl-Maybach Gymnasium (Friedrichshafen)
Bundesgymnasium Lustenau
Gymnasium Schillerstraße Feldkirch
Bundesgymnasium Bludenz
und
Literatur Vorarlberg
Theater Kosmos
mit freundlicher
Unterstützung von
Internationale Bodenseekonferenz
Vorarlberger Kulturservice